Über die Selbstliebe

“Ich könnte beginnen, mich selbst zu lieben.” - Dieser Satz traf mich am vergangenen Freitag mitten ins Herz.

Nun ist es nicht so, dass irgendjemand anderes ihn ausgesprochen, oder ich das irgendwo gelesen hätte. Man liest in Yogakreisen ja unheimlich viel darüber, dass man sich selbst lieben sollte…Nein, das besondere an diesem Satz war, dass ich ihn selbst ausgesprochen habe und darüber sehr überrascht und im gleichen Moment berührt war.

Ich war im Frauenkreis, wo wir mit dem Gesprächsritual der so genannten Diade praktizieren. Dabei sitzen sich zwei Frauen gegenüber. Es gibt eine Frage, die an eine der beiden Frauen gestellt wird. Diese Frau weiß vorher nicht, welche Frage gestellt wird. Sie darf sich überraschen lassen, welche Gedanken, Weisheiten, Wahrheiten zu dieser Frage aus Ihrem Inneren an die Oberfläche auftauchen und ausgesprochen werden. Die andere Frau hört mit ihrer ganzen Präsenz einfach nur zu, keine Kommentare, keine Tipps und Ratschläge, ganz in Stille und voller Aufmerksamkeit.

Ich war also dran mit dem Beantworten der Frage und die lautete so:

“Womit könntest du beginnen?”

So Punkt die mir gegenübersitzende Frau die Frage ausgesprochen hatte, war die Antwort da, ganz ungeduldig, so als wartete sie schon eine Ewigkeit darauf, dass genau diese Frage gestellt werden würde. Sehr interessant war nun meine innere Reaktion auf die Antwort. Als ich sie in Gedankenform hatte, kam sofort der Impuls: “Das kannst du doch nicht aussprechen.” Diese Antwort erschien mir zu profan, zu abgedroschen. Wieviele vor mir hatten diesen Satz schon ausgesprochen, wie oft hab ich das schon gelesen: “Liebe dich selbst.” Das klang in meinen Ohren immer so abstrakt und kam nicht im Herzen an. Und wo ist denn die Grenze von der Selbstliebe zur Selbstverliebtheit? Doch nachdem ich mich in dem ganz besonderen Rahmen der Diade befand, beschloss ich diesem Gedanken gegenüber loyal zu bleiben und die Antwort trotzdem auszusprechen.

“Ich könnte beginnen mich selbst zu lieben.”

Wow. Sobald ich die Antwort ausgesprochen hatte, wurde sie zur Wahrheit. Das waren nicht mehr nur Worte, sondern ich hatte es verinnerlicht, in der Tiefe verstanden. Ich spürte eine körperliche Reaktion, ein kleiner (oder größerer?) Liebesstau hatte sich gelöst, Tränen schossen mir in die Augen, mein Herzraum wurde ganz weit, so sehr spürte ich, wie wahr diese Wahrheit ist.

Ja, ich könnte beginnen mich selbst zu lieben. Ein ganz besonderer Satz für mich, weil er nicht so definitiv, nicht so hart ist, sondern ganz weich eine Türe zu meinem Herzen öffnet, so als würde da ein Zimmer in meinem Herzensraum nach langer Zeit mal wieder richtig gut durchgelüftet. Leichtigkeit macht sich breit.

Ich könnte…der Konjunktiv klingt wie ein Vorschlag, eine sanfte Empfehlung. Ich mag keine Ansagen à la “du musst…, du solltest….”, auch wenn alle Welt den Konjunktiv immer so verteufelt. Und dann dieses Schlüsselwort “beginnen”. Ich könnte beginnen…das heißt, noch lange nicht, dass ich es zu Ende bringen muss und es ist keine Deadline dahinter, aber ich könnte erste kleine Schritte in Richtung Selbstliebe tun. Ja, das könnte ich.

Jetzt könnte ich hier ganz technisch rangehen und die 10 besten Schritte in die Selbstliebe niederschreiben und umsetzen, Material gibt’s dazu bücher- und googletechnisch in Massen. Aber nein, das möchte ich nicht. Zu wertvoll ist mir dieser Satz. Zu wertvoll, als dass ich einen Vorsatz fürs nächste Jahr draus mache, der nach kurzer Zeit wieder verblasst.

Mir ist so, als hätte ich mit diesem Satz einen goldenen Samen gesät und ich bin ganz im Vertrauen, dass dieser Samen genau im richtigen Moment keimen und erblühen wird. Und wie es die Natur vormacht, so glaube ich, dass dieser Samen jetzt einfach Ruhe braucht und sonst nichts, so wie die meisten Samen im Winter. Sie liegen geschützt unter der Erde, unter der Schnee- und Eisdecke begraben und oberflächlich betrachtet, passiert nichts. Und doch wissen wir, dass genau diese Ruhe und dieser Stillstand jedes Erblühen erst möglich macht. In der Tiefe geschieht doch etwas, darauf vertraue ich. In der Ruhe liegt die Kraft.

Welchen Samen könntest du säen? Womit könntest du beginnen? Wie geht es dir mit der Selbstliebe? Bist du noch im Anfängermodus, oder schon ein Profi? Wenn du möchtest, schreib mir gerne eine Nachricht, artikuliere es, bring es von der Gedankenform aufs Papier oder tausche dich mit einer guten Freund:in aus, das macht einen großen Unterschied.

Alles Liebe, deine Mel.

P. S.: Möchtest du dich auch von deiner inneren Weisheit überraschen lassen? Dann schau gerne in meiner Rubrik “Frauenkreise” vorbei. Dort findest du alle Informationen zu Ablauf und Terminen. Trau dich, es lohnt sich. ;-)